Wirkungsgrad von PC-Netzteilen

Allgemeines
Wirkungsgradrechner
Lastabhängigkeit des Wirkungsgrades
Formel Datenblätter Beispiel Genauigkeit
Wirkungsgrad messen
Indirekte Strommessung Leitungswiderstand messen Ergebnis
Hintergrundinformationen

Viele neue PC-Netzteile schmücken sich mit 80+x Logos.
- Doch wie viel bringt das wirklich?
- Und wie schlecht ist mein altes Netzteil, dass keinerlei Angaben darüber enthält, welchen Wirkungsgrad es nun erzielt?
- Und wie viel braucht mein PC überhaupt?


Allgemeines

Zum Thema 80+ gibt es allen voran zu sagen, dass der Wirkungsgrad größerer Netzteile i.a. prinzipsbedingt besser ist, als der von kleinen Netzteilen. - Moment, welcher Wirkungsgrad? - Der am selben PC? - Nein!

Natürlich hat das stärkere Netzteil nur bei entsprechend höherer Last einen besseren Wirkungsgrad. Über den Wirkungsgrad bei einer bestimmten Last sagt das gar nichts aus. Eher im Gegenteil. Bei gleicher Last hat ein kleineres Netzteil mit ähnlichem Wirkungsgrad meist einen besseren Wirkungsgrad.


Wirkungsgradrechner


Last Stromverbrauch
Nennleistung W
1. Messpunkt % Last = W Wirkungsgrad % = Verbrauch W
2. Messpunkt % Last = W Wirkungsgrad % = Verbrauch W
3. Messpunkt % Last = W Wirkungsgrad % = Verbrauch W
Eigenverbrauch
W
Linearer Wirkunngsgrad
%
Ohmsche Verluste
1/kW
Vorhersage % Last = W Wirkungsgrad % = Verbrauch W

Anleitung: Tragen Sie die Kenndaten ihres Netzteils in die Felder Nennleistung und Wirkungsgrad für Messpunkt 1 bis 3 ein. Diese können sie entweder der 80+ Zertifizierung oder dem Datenblatt zum Netzteil entnehmen. Tragen sie nun den erwarteten Verbrauch des Rechners bei Vorhersage ein. Dann wird der Wirkungsgrad des Netzteils für ihren PC geschätzt.

Achtung: Die Kalkulation berücksichtigt nicht die Lastverteilung auf den verschiedenen Stromschienen. Wenn die Verteilung deutlich von der Nennlastverteilung des Netzteils abweicht, werden die Werte sehr ungenau. Typischerweise verschlechtert sich der tatsächliche Wirkungsgrad dabei.


Lastabhängigkeit des Wirkungsgrades

Bei allen 80+, der Wirkungsgrad eines Netzteils ohne Last ist immer 0%. Das ist auch logisch, denn es kommt ja nichts raus und jedes Netzteil hat schließlich einen Eigenverbrauch.

Wenn man die physikalischen Grundlagen betrachtet, ist der Wirkungsgrad eines Schaltnetzteils in brauchbarer Näherung ein gebrochen rationales Polynom 2. Ordnung:

η = l / (a · l2 + b · l + c) mit η = Wirkungsgrad, l = relative Last und a, b, c = bauartbedingte Konstanten eines Netzteils.

Die Zahlen für können wahlweise alle in Prozent oder auch Absolut eingesetzt werden. In der gleichen Einheit ist dann das Ergebnis der Wirkungsgradformel. Allerdings ändern sich dabei die Werte und Einheiten der Koeffizienten a, b und c.

c repräsentiert den Eigenverbrauch (in Einheiten der Vollast), b lineare Verluste und a quadratische (ohmsche) Verluste.

Das gibt dann eine bei null startende, steil ansteigende Kurve mit einem Maximum im Mittelfeld und einem moderaten Abfall zur Vollast hin. Siehe Beispiel.

Datenblätter

Die Datenblätter zu den Netzteilen lassen sich üblicherweise nicht detailliert zur Lastabhängigkeit des Wirkungsgrades, speziell bei kleinen Lasten aus. Im Gegenteil, da steht zum Teil totaler Mist. So z.B. willkürlich von der Marketingabteilung gezeichnete Kurven in bunten, nicht Maßstabsgetreuen Diagrammen (z.B. bei Enermax).

Aber bei 80+ Zertifizierung sind zumindest 3 Messwerte Pflicht. Und aus diesen Werten, kann man die Wirkungsgradkurve ziemlich genau ausrechnen, wenn man obige Formel zugrunde legt.

Gegeben ist der Wirkungsgrad (η1, η2 , η3) bei drei verschiedenen Lastanteilen (l1, l2, l3). Dann ergeben sich die Konstanten a, b, c wie folgt:

a = [l1 · l2 · η3 · (η2 - η1) + l2 · l3 · η1 · (η3 - η2) + l3 · l1 · η2 · (η1 - η3)] / k
b = [η1 · η2 · l3 · (l22 - l12) + η2 · η3 · l1 · (l32 - l22) + η3 · η1 · l2 · (l12 - l22)] / k
c = l1 · l2 · l3 × [l1 · η1 · (η2 - η3) + l2 · η2 · (η3 - η1) + l3 · η3 · (η1 - η2)] / k
mit k = (l1 - l2) × (l2 - l3) × (l3 - l2) × η1 · η2 · η3

Jetzt kann man die Kurve berechnen.

Beispiel Enermax PRO 82+ bei 230V AC

Messwert Last (li) in % Wirkungsgrad (ηi) in %
1 l1 = 20% η1 = 84%
2 l2 = 50% η2 = 88%
3 l3 = 100% η3 = 86%

a = 0,111 = 0,0000111 [1/%2]
b = 1,02 = 0,0102 [1/%]
c = 0,029

Wirkungsgradkurve von Enermax PRO 82+

Was man hier sofort erkennt ist, dass ein solches Netzteil bei niedriger (Idle-)Last nicht eben gut da steht. Nehmen wir einen typischen, einfachen PC mit On-Board-Grafik, der gerade Däumchen dreht. Der braucht samt Platte vielleicht 30W. Nehme ich nun ein Netzteil mit 400W Nennlast, ist dieses gerade einmal zu 7,5% ausgelastet. Macht bei obigem Beispiel trotz des wirklich guten Netzteils gerade einmal 70% Wirkungsgrad! :-o

Nun, das hätte ein 150W-Netzteil Modell Alt-PC vielleicht auch geschafft. Aber bevor jetzt alle die alten PCs ausschlachten: man muss darauf achten, dass die alten Netzteile auf der +12V Schiene genug Strom liefern können, denn ältere PCs haben sich zu einem größeren Teil aus +5V und +3,3V gespeist.

Genauigkeit

Der Pferdefuß bei der ganzen Geschichte ist, dass diese ganze Rechnung nur für ein Schaltnetzteil einigermaßen genau ist. Ein PC-Netzteil besteht aber aus einem halben Duzend Netzteilen für verschiedene Spannungen, die mehr oder minder miteinander verzahnt sind. Kurzum, es macht einen Unterschied, ob man die gleiche Leistung bei 3,3V oder bei 12V zieht. Als Daumenregel kann man sagen: der Wirkungsgrad bei den höheren Ausgangsspannungen ist immer besser als bei den niedrigeren. Auch das ist ein Grund, warum moderne Netzteile einen höheren Wirkungsgrad haben als alte Modelle. Früher war die Strombelastbarkeit auf den niedrigen Spannungen im Verhältnis höher.


Wirkungsgrad Messen

Um den Wirkungsgrad eines Netzteils zu bestimmen, braucht man die aufgenommene und die abgegebene Leistung. Letztere kann man mit handelsüblichen Stromverbrauchsmessgeräten erfassen. (Aber Vorsicht, da ist allerlei Kinderspielzeug im Umlauf, das keinerlei brauchbare Werte anzeigt. Also vorher gut über das Gerät informieren.)

Um die abgegebene Leistung zu erfassen, muss man die Ohren schon anlegen. Für den Preis eines geeigneten DC-tauglichen Zangenamperemeters kann man den PC dessen ganzes Leben lang mit jedem beliebigen Netzteil betreiben. Plan B ist, tiefer in die Trickkiste zu greifen.

Natürlich eignet sich das hier gezeigte Verfahren auch, um den Maximalverbrauch einer Kombination zu messen und das Netzteil entsprechend auszulegen. Aber Vorsicht, es ist nicht ganz trivial, den Maximalverbrauch des PCs herbeizuführen. Alte Klassiker, wie Prime95 mögen vielleicht die CPU halbwegs auslasten, aber nicht die Grafikkarte und auch nicht die Laufwerke.

Indirekte Strommessung

Achtung: wer diese Messung machen möchte, muss wissen was Strom ist, und wo man hinfassen darf und wo nicht. Das Netzteil muss dazu im geöffneten Zustand betrieben werden! Dabei besteht Lebensgefahr.

Um die abgegebene Leistung eines Netzteils zu ermitteln, benötigt man den Stromverbrauch auf jeder seiner Stromschienen. Um ihm direkt zu mit einem Multimeter zu messen, müsste man die Leitungen unterbrechen, und den Strom durch das Messgerät leiten. Das ist aufwändig und riskant, da bei einem Wackelkontakt die PC-Komponenten zerstört werden können. Aus diesem Grund zeige ich hier eine andere Methode, die keinerlei Modifikationen an den Kabelverbindungen erfordert.

Spannungsabfall messen

Das Prinzip ist einfach. Man misst den Spannungsabfall, den der Laststrom an den Verbindungskabeln zum Netzteil erzeugt. Dazu braucht man ein Millivoltmeter. Etliche einfache Digitalmultimeter, mit einer Auflösung von 0,1mV im kleinsten Gleichspannungs-Messbereich eignen sich auch, wenngleich die Sache etwas ungenauer wird. Wer ein wenig Basteln kann, kann auch einen simplen Instrumentenverstärker davor hängen, z.B. mit INA106.

Zur Messung des Spannungsabfalls muss man das Netzteil öffnen und die Messspitzen direkt an den Ursprungspunkt der ausgehenden Stromkabel im Netzteil anlegen. Je nach Bauart des Netzteils kann es dazu erforderlich sein, die Platine auszubauen, und das Netzteil komplett auseinandergebaut zu betreiben. Dann kann man an den leicht zugänglichen Lötpunkten an der Unterseite messen.

Und auf der anderen Seite an die Zielpunkte, beispielsweise in den Steckern verwenden. Allerdings können die Übergangswiderstände der verschiedenen Pins bei mehreren gleichfarbigen, parallelgeschalteten Leitungen variieren. Daher ist es genauer, auch das Mainboard im ausgebauten Zustand zu betreiben und die Lötpunkte an der Unterseite zu verwenden.

Das ganze muss natürlich für jeden benutzen Netzteilstecker und alle davon genutzten Stromschienen durchgeführt werden. In der Praxis wird man sich auf das Wesentliche beschränken. Also die schwarzen Masseleitungen braucht man gar nicht, am ATX-Stecker misst man einmal für +3,3V (orange), einmal für +5V (rot) und einmal für +12V (gelb), der Rest ist auf diese Weise sowieso nicht messbar. Und bei der Peripherie steckt man alles nicht unbedingt notwendige ohne großen Verbrauch ab (z.B. CD-ROM). Bei einigen Boards muss man auch auf die Stand-By-Versorgung +5VSB (violett) ein Auge werfen.

Leitungswiderstand messen

Kennt man den Spannungsabfall unter Last, dann braucht man nur noch den Widerstand der Verbindung, um den Strom nach dem Ohmschen Gesetz zu ermitteln. Diesen erhält man, indem man die gleiche Messung noch einmal macht, während man bei ausgeschaltetem, vom Netz getrennten PC einen bekannten Strom durch dieselbe Leitung schickt. Dabei ist es entscheidend, immer an exakt denselben Stellen zu messen, wie zuvor und die Steckverbinder zwischenzeitlich nicht getrennt zu haben.

Woher einen bekannten Strom nehmen?

Nun, die einfachste Quelle dafür ist ein altes PC-Netzteil und ein großer Keramik-Widerstand von 8 bis 15Ω. Den Widerstand klemmt man in Reihe zu den +12V, das ergibt einen Strom von ganz grob 1A. Achtung, der Widerstand verheizt so um die 10W. Das muss er erstens aushalten und zweitens wird er mit der Zeit heiß. Also Finger auf Abstand halten.

Wer natürlich ein Labornetzgerät sein eigen nennt, kann auch dieses Nutzen. Ausgangsspannung auf ca. 1V runter drehen und Ausgangsstrom auf ca. 1A. Letzterer Wert sollte sich halbwegs genau ablesen lassen, oder muss ausgemessen werden.

Im Beispiel rechts habe ich einfach ein altes AT-Netzteil verwendet und alles frei fliegend mit Krokodilklemmen verkabelt. Um eine Mindestlast zu haben, habe ich eine hinreichend dicke Gleichrichterdiode in Durchlassrichtung parallel zu den Messspitzen geschaltet. Solange die Prüfspitzen nicht an einer Leitung anliegen fließt der Strom über die Diode. Diese begrenzt gleichzeitig die Spannung zwischen den Prüfspitzen auf unter 1V.

Schaltplan

Damit das Netzteil nicht gleich wieder aus geht, muss man noch für eine Mindestlast an +5V sorgen. Deshalb habe ich einen zweiten, gleichartigen Widerstand zwischen +5V und Masse in einen anderen Stecker gesteckt. Der wird nicht sehr heiß. Die +3,3V bei ATX-Netzteilen muss man typischerweise nicht unbedingt belasten.

Den genauen Strom unter Berücksichtigung der Leitungswiderstände ermittelt man am besten, indem man die Spannung an dem Widerstand misst, während die Krokodilklemmen für die Prüfspitzen verbunden sind. Den Rest erledigt das ohmsche Gesetz:

Iref = U / R  mit  Iref = Teststrom, U = Spannung am Widerstand und R = Aufgeruckter Widerstandswert.

Beim Andrücken der Prüfspitzen muss man einige Kraft aufwenden, damit der Übergangswiderstand klein bleibt. Ob man richtig liegt, erkennt man daran, dass die Spannung nicht mehr sinkt. Den Offsetwert, unter den man nicht kommt, ermittelt man, indem man die Prüfspitzen einfach direkt zusammendrückt. Diesen Wert zieht man dann von allem Messwerten ab. Bei mir waren das ziemlich genau 1mV.

Wenn man es ordentlicher machen möchte, klemmt man die Krokodilklemmen besser an die Lötpunkte unten an der Platine und misst die Spannung unmittelbar daneben (4-Punkt Methode). Da ist dann keine besondere Kraft und auch keine Korrektur erforderlich.

Ergebnis

Wenn man die obige Zeremonie die drei wichtigsten Spannungen am ATX-Stecker, für +12V am CPU-Stecker und für +5V und +12V der über Molex-Stecker angeschlossenen Platten etc. hinter sich gebracht hat, kann man die Daten auswerten.

Messspannung
(U)
Spannungsabfall
im Betrieb (Uon)
Spannungsabfall
bei Teststrom (Uref)
Teststrom
(Iref)
Leitungs-
widerstand (R)
Strom im
Betrieb (Ion)
Leistungs-
aufnahme (P)
+12V CPU 4,2mV 11,0mV 1,0A 10,0mΩ 0,42A 5,05W
+12V ATX 2,54mV 13,6mV 12,6mΩ 0,2A 2,4W
+5V ATX 7,0mV 6,1mV 5,1mΩ 1,37A 6,9W
+3,3V ATX 9,5mV 7,2mV 6,2mΩ 1,56A 5,15W
Formel: Messwert Messwert Messwert R = Uref / Iref Ion = Uon / R P = U · Ion

Macht summa summarum 19,5W. Die Daten sind einem Testserver mit AMD Athlon X2 250 auf einem ASUS M4A78LT-M LE Board mit AMD 760 Chipsatz und 4GB DDR3 ECC-RAM gemessen. Neben dem Board war nur noch eine Intel SSD dran, die ich mit <0,2W mal vernachlässigt habe. Aus dem Netz hat sich selbiger Rechner übrigens mit einem alten 260W Marken-Netzteil 48W genehmigt - kein beeindruckender Wirkungsgrad.


Hintergrundinformationen

Wieso soll der Wirkungsgrad eines Netzteils ausgerechnet einem rationalen Polynom 2. Ordnung folgen?

Nun, der Verbrauch des Netzteil folgt allesamt elementaren physikalischen Gesetzen. Der einfachste Punkt ist der konstante Grundverbrauch des Netzteils selbst. Daneben gibt es quadratisch vom Ausgangsstrom abhängige Verluste, die z.B. durch Ohmsche Widerstände entstehen (P = R · I2). Allerdings sind die meisten Netzteile pulsweitenmoduliert geregelt. Dabei steigt die Ausgangsleistung quadratisch mit dem Strom im Kern und deshalb bleiben effektiv nur linear leistungsabhängige Verluste übrig. Das gilt auch für die Hystereseverluste im Kern.

Das bedeutet, der Verbrauch ist eine quadratische Gleichung der Ausgangleistung. Da der Wikungsgrad aber als Ausgangsleistung pro Verbrauch definiert ist, kommt es zu dem gebrochen rationalem Polynom.

Schadet das den Komponenten nicht, wenn man da von außen irgendwelche Testtröme einkoppelt?

Nein, wenn man wirklich an den richtigen Punkten ansetzt, wird der Messstrom von den Kabeln und Steckverbindern kurzgeschlossen. Es wird dann praktisch überhaupt keine Leistung eingekoppelt. Und wenn man mal nicht ganz genau trifft, sorgt die Spannungsbegrenzung der Diode dafür, dass typischerweise auch nichts passiert - jedenfalls solange man sich bei den Versorgungsanschlüssen aufhält.